Die Besonderheit der Situation liegt darin, dass innerhalb kurzer Zeit die Mehrwertsteuer abgesenkt und dann nach einem halben Jahr wieder erhöht wird.
Im Folgenden verwende ich die Begriffe Mehrwertsteuer und Umsatzsteuer in gleichlautender Bedeutung. Warum beide Begriffe im Sprachgebrauch sind, erfährst Du in meinen FAQ´s.
Du bist als „Büttel des Staates“ verpflichtet, für den Staat von Deinen Kunden Umsatzsteuer zu erheben. Das heißt, Du musst ihnen die Umsatzsteuer in Rechnung stellen und an den Fiskus abführen.
Als Kleinunternehmer bist Du möglicherweise von dieser Pflicht befreit. Dann betreffen Dich die nachfolgenden Ausführungen aber unter Umständen dennoch als Kunde.
Zum 01.07.2020 wurde der normale Umsatzsteuersatz von 19% auf 16% gesenkt. Zum 01.01.2021 steigt er wieder auf 19%. Analog sinkt der verminderte Umsatzsteuersatz von 7 % auf 5% und umgekehrt. Was heißt das für Dich? Dazu wollen wir uns verschiedene Auftragsvarianten anschauen.
Die „normalen“ Aufträge
Beispiel 1.
Du hast noch im 1. Halbjahr 2020 einen Auftrag mit 19% MwSt. angenommen.
Den führst Du im 2. Halbjahr 2020 aus. Dann berechnest Du den neuen aktuellen MwSt.-Satz von 16%.
Angebot und Auftrag im 1. Halbjahr 2020 | Auftragsausführung im 2. Halbjahr 2020 |
Netto-Angebotssumme 1.000 € | Netto-Rechnungssumme 1.000 € |
MwSt.-Satz 19% | MwSt.-Satz 16% |
Brutto-Angebotssumme 1.190 € | Brutto-Rechnungssumme 1.160 € |
Fazit:
- Die Rechnungssumme fällt niedriger aus als die Angebotssumme. Deinen Geschäftskunden berührt das nicht weiter. Denn die Netto-Summen ändern sich nicht für ihn. Die Mehrwertsteuer holt er sich vom Finanzamt wieder.
- Wenn Dein Kunde die MwSt. aber nicht absetzen kann, wirkt das bei ihm wie eine effektive Preissenkung.
Beispiel 2.
Du hast im 2. Halbjahr 2020 einen Auftrag mit 16% MwSt. angenommen. Den führst Du aber erst Anfang 2021 aus. Dann berechnest Du den früher geltenden MwSt.-Satz von 19%.
Angebot und Auftrag im 2. Halbjahr 2020 | Auftragsausführung Anfang 2021 |
Netto-Angebotssumme 1.000 € | Netto-Rechnungssumme 1.000 € |
MwSt.-Satz 16% | MwSt.-Satz 19% |
Brutto-Angebotssumme 1.160 € | Brutto-Rechnungssumme 1.190 € |
Fazit:
- Die Rechnungssumme fällt höher aus als die Angebotssumme. Deinen Geschäftskunden berührt das nicht weiter. Denn die Netto-Summen ändern sich nicht für ihn. Die Mehrwertsteuer holt er sich vom Finanzamt wieder.
- Wenn Dein Kunde die MwSt. aber nicht absetzen kann, wirkt das bei ihm wie eine effektive Preiserhöhung. Er wird also darauf drängen, dass Du den Auftrag noch im alten Jahr abwickelst.
- Hier droht Ärger mit Deinem Kunden. Du solltest ihn deshalb schon in Deinem Angebot darauf hinweisen, dass bei Auftragsausführung im neuen Jahr 2021 wieder der höhere MwSt.-Satz von 19% zu berechnen ist.
Aufträge mit Anzahlung
In vielen Branchen ist es üblich, bei Auftragserteilung eine Anzahlung zu verlangen. Sie dient der Vorfinanzierung des Auftrages. Die Anzahlung ist von keiner Gegenleistung abhängig.
In der Rechnung berechnest Du den aktuell geltenden MwSt.-Satz. Wenn Du nach Auftragsfertigstellung die Schlussrechnung stellst, dann gilt unter Umständen ein anderer MwSt.-Satz als der zum Zeitpunkt der Anzahlung. Der MwSt.-Satz der Anzahlung ist gegebenenfalls nachträglich zu berichtigen.
Beispiel 3.
Noch im 1. Halbjahr 2020 hast Du eine Anzahlung von 200 € vereinbart. Auf die hast Du 19% MwSt. berechnet. Den Auftrag führst Du erst im 2. Halbjahr 2020 aus. Dann berechnest Du den neuen aktuellen MwSt.-Satz von 16% auf den gesamten Auftrag. Das heißt: Die MwSt. für die Anzahlung reduziert sich nachträglich von 19% auf 16%.
Angebot und Auftrag im 1. Halbjahr 2020 | Anzahlung im 1. Halbjahr 2020 | Auftragsausführung im 2. Halbjahr 2020 |
Netto-Angebotssumme 1.000 € | Netto-Anzahlung 200 € | Netto-Auftragssumme 1.000 € |
MwSt.-Satz 19% | MwSt.-Satz 19% = 38 € | MwSt.-Satz 16% |
Brutto-Angebotssumme 1.190 € | Brutto-Anzahlung 238 € | Brutto-Auftragssumme 1.160 € |
./. Brutto-Anzahlung 238 € | ||
Brutto-Schlussrechnung 922 € |
In der Schlussrechnung müssen die Netto-Beträge und die MwSt. immer getrennt ausgewiesen sein!
Fazit:
- In der Anzahlungsrechnung hast Du noch den „alten“ MwSt.-Satz von 19% verwendet.
- Im Zeitpunkt der Schlussrechnung (d.h. Lieferdatum) gilt der “neue“ MwSt.-Satz von 16%.
- Dann muss die MwSt. der Anzahlung nachträglich von 19% auf 16% berichtigt werden.
- Für Dich und Deinen Geschäftskunden bedeutet das zusätzlichen buchhalterischen Aufwand.
Ihr müsst Eure frühere Umsatzsteuervoranmeldung berichtigen.
Beispiel 4.
Für einen Auftrag hast Du im 2. Halbjahr 2020 eine Anzahlung von 200 € erhalten. Darauf hast Du 16% MwSt. berechnet. Den Auftrag führst Du erst im Anfang 2021 aus. Dann berechnest Du den neuen aktuellen MwSt.-Satz von 19% auf den gesamten Auftrag. Das heißt: Die MwSt. für die Anzahlung erhöht sich nachträglich von 16% auf 19%.
Angebot und Auftrag im 2. Halbjahr 2020 | Anzahlung im 2. Halbjahr 2020 | Auftragsausführung erst Anfang2021 |
Netto-Angebotssumme 1.000 € | Netto-Anzahlung 200 € | Netto-Auftragssumme 1.000 € |
MwSt.-Satz 16% | MwSt.-Satz 16% = 32 € | MwSt.-Satz 19% |
Brutto-Angebotssumme 1.160 € | Brutto-Anzahlung 232 € | Brutto-Auftragssumme 1.190 € |
./. Brutto-Anzahlung 232 € | ||
Brutto-Schlussrechnung 958 € |
In der Schlussrechnung müssen die Netto-Beträge und die MwSt. immer getrennt ausgewiesen sein!
Fazit:
- In der Anzahlungsrechnung hast Du den „neuen“ MwSt.-Satz von 16% verwendet.
- Im Zeitpunkt der Schlussrechnung (d.h. Lieferdatum) gilt wieder der „frühere“ MwSt.-Satz von 19%.
- Dann muss die MwSt. aus der Anzahlung berichtigt werden.
- Für Dich und Deinen Geschäftskunden bedeutet das zusätzlichen buchhalterischen Aufwand.
Ihr müsst Eure frühere Umsatzsteuervoranmeldung berichtigen.
Aufträge mit Abschlagszahlung
In vielen Branchen ist es üblich, bei Auftragserteilung eine Abschlagszahlung für einen definierten Teil des Gesamtauftrages zu vereinbaren. Sie dient der Finanzierung des Auftrages. Die Abschlagszahlung muss abgenommen und in Rechnung gestellt werden.
In der Abschlagsrechnung berechnest Du den MwSt.-Satz, der zum Zeitpunkt der erbrachten Teilleistung gilt. Auch wenn zum Zeitpunkt Deiner späteren Schlussrechnung ein anderer MwSt.-Satz gelten sollte, ändert das nachträglich nicht den MwSt.-Satz der Abschlagsrechnung.
Beispiel 5.
Du hast eine Abschlagszahlung von netto 500 € vereinbart.
Diese Teilleistung führst Du im 1. Halbjahr 2020 aus.
Für die Abschlagsrechnung berechnest Du den „alten“ MwSt.-Satz von 19%.
Im 2. Halbjahr berechnest Du in Deiner Schlussrechnung den „neuen“ MwSt.-Satz von 16%.
Angebot und Auftrag im 1. Halbjahr 2020 | Abschlagszahlung im 1. Halbjahr 2020 | Auftragsausführung im 2. Halbjahr 2020 |
Netto-Angebotssumme 1.000€ | Netto-Abschlagszahlung 500€ | Netto-Auftragssumme 1.000€ |
MwSt.-Satz 19% | MwSt.-Satz 19% = 95€ | ./. Netto-Abschlagszahlung 500€ |
Brutto-Angebotssumme 1.190€ | Brutto-Abschlagszahlung 595€ | Netto-Restsumme 500€ |
zzgl. MwSt. 16% = 80€ | ||
Brutto-Schlussrechnung 580€ |
Schlussrechnung müssen die Netto-Beträge und die MwSt. immer getrennt ausgewiesen sein!
Fazit:
- Die MwSt. für die Abschlagzahlung ändert sich nachträglich nicht. Denn maßgeblich ist der Zeitpunkt, in dem die Teilleistung erbracht wurde.
- Im Ergebnis werden die Teilleistung und der restliche Auftrag mit unterschiedlichen MwSt.-Sätzen abgerechnet.
Beispiel 6:
Du hast eine Abschlagszahlung von netto 500 € vereinbart.
Diese Teilleistung führst Du im 2. Halbjahr 2020 aus.
Für die Abschlagsrechnung berechnest Du den „neuen“ MwSt.-Satz von 16%.
Den Auftrag vollendest Du erst Anfang 2021.
In Deiner Schlussrechnung berechnest Du wieder den „alten“ MwSt.-Satz von 19%.
Angebot und Auftrag im 2. Halbjahr 2020 | Abschlagszahlung im 2. Halbjahr 2020 | Auftragsausführung Anfang 2021 |
Netto-Angebotssumme 1.000€ | Netto-Abschlagszahlung 500€ | Netto-Auftragssumme 1.000€ |
MwSt.-Satz 16% | MwSt.-Satz 16% = 80€ | ./. Netto-Abschlagszahlung 500€ |
Brutto-Angebotssumme 1.160€ | Brutto-Abschlagszahlung 580€ | Netto-Restsumme 500€ |
In der Schlussrechnung müssen die Netto-Beträge und die MwSt. immer getrennt ausgewiesen sein!
Fazit:
- Die MwSt. für die Abschlagzahlung ändert sich nachträglich nicht. Denn maßgeblich ist der Zeitpunkt, in dem die Teilleistung erbracht wurde.
- Im Ergebnis werden die Teilleistung und der restliche Auftrag mit unterschiedlichen MwSt.-Sätzen abgerechnet.
- Wenn Dein Kunde die MwSt. aber nicht absetzen kann, wird er vielleicht darauf drängen, dass Du den Auftrag unbedingt noch im alten Jahr 2020 abwickelst. Denn dann würden nur 16% MwSt. anfallen. Damit würde er Geld sparen.
- Hier droht Ärger mit Deinem Kunden. Du solltest ihn deshalb schon in Deinem Angebot darauf hinweisen, dass mit der vollständigen Erledigung des Auftrages nicht vor Anfang 2021 zu rechnen ist. Dann werde auch wieder der höhere MwSt.-Satz von 19% gelten.
Dauerschuldverhältnisse
Von einem Dauerschuldverhältnis spricht man, wenn sich ein Vertragspartner zu einer Leistung in einem zeitlich definierten Umfang verpflichtet. Die Vertragslaufzeit kann sich über einen längeren Zeitraum erstrecken. Dabei können die Abrechnungszeiträume frei gestaltet werden. Zum Beispiel monatlich, halb- oder vierteljährlich, oder jährlich. Die nachstehenden Beispiele beziehen sich auf Leistungen, die mehrwertsteuerpflichtig sind. Bei der Überlassung von Mieträumen ist zu klären, ob der Vermieter sich für die Mehrwertsteuerpflicht entschieden hat. Hier folgt eine nicht abschließende Auflistung möglicher Vertragsarten:
- Überlassungsverträge (Pacht, Miete, Leasing, Leihe)
- Dienstverträge, wie Wartungsverträge, Servicedienste aller Art
- Lieferabonnements über Waren verschiedenster Art
- Verträge über Telefondienstleistungen, Internet-Provider, Informationsdienstleister etc.
- Verwahrungsverträge z. B. Winterlager für Autoreifen, Möbel, Schließfächer etc.
Nicht mehrwertsteuerpflichtig sind z.B. Versicherungsprämien, Kontogebühren oder Dienstleistungen im Gesundheitssektor, die auf ärztliche Verordnung ausgeführt werden.
Es gilt der Grundsatz: Der Mehrwertsteuersatz bei Dauerschuldverhältnissen richtet sich danach, wann der Abrechnungszeitraum endet.
Abrechnungszeitraum endete
im 1. Halbjahr 2020 | Abrechnungszeitraum endet
im 2. Halbjahr 2020 | Abrechnungszeitraum endet
erst Anfang 2021 |
MwSt.-Satz 19% | MwSt.-Satz 16% | MwSt.-Satz 19% |
Kritik
Die Mehrwertsteuer soll im Prinzip ja nur den privaten Endverbraucher, Konsumenten belasten. Durch sie erhöhen sich die Endverbraucherpreise. Von der vorübergehenden Senkung der MwSt.-Sätze profitieren nur die Konsumenten.
Die Konjunktur-belebende Wirkung ist fraglich. Denn das „Einkaufserlebnis“ ist in den Corona-Zeiten durch Abstandhalten und Maskenpflicht erheblich gedämpft. Hinzu kommt, dass viele Bürger Einbußen in ihren Privateinkommen hinnehmen müssen. Das schmälert natürlich die Kaufkraft und in unsicheren Zeiten auch die Kauflust.
Für Dich als Unternehmer bringt die Änderung zusätzlichen Verwaltungsaufwand bei der Rechungsstellung wie auch im Bereich der Finanzbuchhaltung.
Verschiebung des Leistungszeitpunktes
Außerdem verlangen Deine Kunden vielleicht von Dir, dass Du die vereinbarten Leistungen in den Zeitabschnitt verschiebst, der für ihn mit der geringeren MwSt.-Belastung verbunden ist. Das bringt Dich in Schwierigkeiten. Denn Dein Kunde begreift nicht, warum Du Deine Auftragsplanung nicht so einfach verschieben kannst. Schließlich hast Du auch noch andere Kunden, die ebenfalls fristgerecht beliefert werden wollen.
Lange Lieferfristen bergen Preiserhöhungen
Auch wenn die Auftragsabwicklung mit längeren Lieferfristen verbunden ist, tauchen Probleme auf. Zum Beispiel, wenn der Auftrag in der 2. Jahreshälfte 2020 abgeschlossen wird, die Lieferung aber erst Anfang nächsten Jahres erfolgen kann.
Dann wird die Auftragsbestätigung der zu diesem Zeitpunkt geltende MwSt.-Satz von 16% ausweisen.
Dagegen wird in der Rechnung bei Lieferung Anfang 2021 wieder der früher geltende MwSt.-Satz von 19% berechnet.
Für Deinen Kunden bedeutet das eine schmerzhafte Preiserhöhung. An die hat er möglicherweise bei Auftragserteilung noch gar nicht gedacht.
Fazit
Wer mit Anzahlungen und Abschlagszahlungen arbeitet, muss mit einem vermehrten Aufwand im Rechnungswesen und der Finanzbuchhaltung rechnen.
Der Umgang mit Privatverbrauchern, aber auch mit Kleinunternehmern verlangt insbesondere in der Phase von Angebot und Auftragserteilung eine vorausschauende Kundenaufklärung.
Euer Jan f. Lüth
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Der Autor: Jan Friedrich Lüth

Nach dem Jura-Studium fogten 20 Jahre kaufmännische Verantwortung in Handels- und Industriebetrieben. Seine Erfahrungen aus der betrieblichen Praxis gibt er seit mehr als 20 Jahren in Form von in Seminaren, Workshops und Einzelcoaching weiter.